Erschienen in:
28.04.2023 | Historisches
Verlegungsraten der Universitätsnervenklinik Frankfurt am Main im Nationalsozialismus
verfasst von:
Dr. med. Moritz Verdenhalven, Albert Vahle, Ataraxia Hofstädter
Erschienen in:
Der Nervenarzt
|
Ausgabe 7/2023
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Zusammenfassung
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden ca. 300.000 Menschen im Rahmen der „Euthanasie“ ermordet. Aus den Universitätsnervenkliniken (UNKs) wurden keine Menschen direkt in die Gasmordanstalten der Aktion T4 deportiert. Auch auf systematische Morde in UNKs fand sich bislang kein klarer Hinweis. Gleichwohl waren die UNKs Akteure in der „Euthanasie“, indem sie Menschen in Heil- und Pflegeanstalten (HPAs) verlegten und so dem mörderischen Anstaltssystem aussetzten. Welche Handlungsspielräume hierbei genutzt wurden, ist bislang nur an wenigen Einzelfällen dargestellt worden. In dieser Studie wird erstmals anhand von Verlegungsraten die Beteiligung der UNK Frankfurt an den „Euthanasie“-Morden beschrieben. Die Verlegungsraten wurden anhand von Erschließungsdaten aus tief erschlossenen Fallakten berechnet. Zusätzlich wurde mithilfe von Opferdatenbanken sowie Aufnahme- und Sterbebüchern das Schicksal der Verlegten nachverfolgt. Als Ergebnis dieser Studie fällt ein Absinken der Verlegungsraten von 22–25 % vor auf zirka 16 % nach Bekanntwerden der „Euthanasie“ auf. Bemerkenswert ist außerdem, dass 53 % der zwischen 1940 und 1945 Verlegten bis 1946 in einer HPA verstarben. Diese hohe Mortalitätsrate verdeutlicht, wie wichtig es ist, die UNKs in Bezug auf ihre Beteiligung an der „Euthanasie“ genauer zu untersuchen.