Hintergrund
Mithilfe des „[Gesetzes] zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ [
1] sowie der Reform der Psychotherapierichtlinie im Jahr 2017 sollte die psychotherapeutische Versorgungssituation verbessert werden [
2]. Mit der Reform der Psychotherapierichtlinie wurden u. a. neue Versorgungselemente wie die psychotherapeutische Sprechstunde und die Akutbehandlung eingeführt. Psychotherapeutische Sprechstunden sind Erstgespräche, bei denen Patient*innen über Psychotherapie aufgeklärt und Indikationen für eine Psychotherapie geprüft werden [
3]. Die Inanspruchnahme der psychotherapeutischen Sprechstunde ist Voraussetzung für eine weitere Behandlung, wobei Erwachsene bei einem/einer Psychotherapeut*in bis zu 3 50-minütige (oder 6 25-minütige) und Kinder und Jugendliche bis zu 5 50-minütige bzw. 10 25-minütige psychotherapeutische Sprechstunden wahrnehmen können [
3]. Die Akutbehandlung umfasst bis zu 12 Einheiten à 50 min und soll eine kurzfristige Behandlung z. B. in Krisensituationen ermöglichen, da sie – im Gegensatz zur sogenannten Richtlinienpsychotherapie – zwar anzeige-, aber nicht antragspflichtig ist [
3].
Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) wurden gesetzlich dazu verpflichtet, über Terminservicestellen (TSS) Termine für die neu eingeführte psychotherapeutische Sprechstunde und Akutbehandlung sowie probatorische Sitzungen zu vermitteln [
1,
4]. Probatorische Sitzungen dienen der Vorbereitung einer Richtlinientherapie [
3] und gehörten auch schon vor der Reform der Psychotherapierichtlinie zum bestehenden Versorgungsangebot.
Um die Terminvermittlung durch die TSS zu ermöglichen, sind an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Psychotherapeut*innen verpflichtet, Sprechstundentermine an die jeweilige KV zu melden [
3]. Hierfür wird Psychotherapeut*innen empfohlen, ein Terminkontingent bereitzuhalten, das durch die TSS vergeben werden kann [
5]. Die Meldung von Terminen zu Akutbehandlung und probatorischen Sitzungen, welche bis zu 4 Einheiten à 50 min umfassen können, ist in der Psychotherapierichtlinie nicht verpflichtend geregelt und erfolgt in Eigenregie der KVen. Dabei soll sichergestellt sein, dass Termine innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist von 4 Wochen vergeben werden [
1].
Viele durch die TSS vermittelten Termine sind psychotherapeutische Anliegen – so stieg der Anteil der Anfragen nach psychotherapeutischen Leistungen an allen berechtigten Vermittlungswünschen von 39 % im Jahr 2020 auf 43 % im Jahr 2021 [
6,
7]. Dies erscheint plausibel vor dem Hintergrund einer 12-Monats-Prävalenz psychischer Erkrankungen von 28 % in der Gesamtbevölkerung in Deutschland [
8]. Eine Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus dem Jahr 2019 ergab, dass 14 % der Befragten in den letzten 3 Jahren Hilfe bei „[seelischen Problemen]“ [
9, S. 27] bedurften und 64 % von diesen eine*n Psychotherapeut*in aufsuchten.
Der jährliche TSS-Evaluationsbericht der KBV enthält Informationen zur Zusammensetzung der Anfragen nach Psychotherapeut*innen und deren Vermittlungsquote [
6,
7]. Die Vermittlungsquote unterscheidet dabei nicht nach einzelnen KV-Regionen, obwohl die psychotherapeutische Versorgungssituation regional unterschiedlich ist: So schwankten die Wartezeiten auf eine Richtlinientherapie im Jahr 2018 zwischen 11,6 Wochen in Berlin und 25,4 Wochen in Thüringen [
10]. Die Bundespsychotherapeutenkammer berichtet bei einer Stratifizierung nach Bundesland ebenfalls eine Differenz von insgesamt 10 Wochen bei der Wartezeit auf eine Richtlinienpsychotherapie [
11]. Sogar innerhalb einer KV variieren die Wartezeiten regional, wie aktuelle Daten der KV Bayern zeigen [
12]. Die KBV weist in den Berichten zudem auf eine regional unterschiedlich starke Nutzung der TSS-Psychotherapie hin [
6,
7]. Rabe-Menssen et al. (2019) heben hervor, dass die Wartezeiten in KVen, deren Region einem Stadtstaat (Bremen, Berlin und Hamburg) entspricht (im Folgenden: Stadt-KVen), geringer seien als in den KVen, deren Region ein Flächenland ist ([
10]; im Folgenden: Flächenland-KVen, dies schließt auch die KVen Nordrhein und Westfalen-Lippe ein, die je einen Teil des Flächenlands Nordrhein-Westfalen abdecken). Eine Unterscheidung nach KV-Regionen sowie nach Stadt- und Flächenland-KVen könnte aufzeigen, ob sich die regional unterschiedliche Versorgungssituation auch in der Vermittlungsleistung der TSS widerspiegelt.
Weiterhin wird in den KBV-Berichten nicht nach psychotherapeutischer Sprechstunde, Akutbehandlung oder probatorischen Sitzungen unterschieden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Vermittlung einer psychotherapeutischen Sprechstunde leichter gelingt als die Vermittlung einer Akutbehandlung oder von probatorischen Sitzungen, da diese freie Behandlungskapazitäten bei Psychotherapeut*innen erfordern. Die Bundespsychotherapeutenkammer berichtet, dass Psychotherapeut*innen nach einem Erstgespräch meist keine Akutbehandlung anbieten können [
11]. Eine Unterscheidung nach Vermittlungsanliegen könnte aufzeigen, ob auch für diese mehr Ressourcen bindenden Anfragen ausreichend Vermittlungskapazitäten bestehen.
Aufgrund des hohen Stellenwerts psychotherapeutischer Anfragen innerhalb der TSS sowie der Relevanz dieser Versorgungssparte in der öffentlichen Gesundheitsversorgung lohnt sich ein genauerer Blick auf die Vermittlung der TSS-Psychotherapie. Mittels einer detaillierten Betrachtung kann aufgezeigt werden, inwiefern ein zugleich niederschwelliger als auch kurzfristiger Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung geschaffen werden konnte. Wir untersuchten in der vorliegenden Studie daher,
-
wie viele Anfragen nach psychotherapeutischen Sprechstunden, Akutbehandlungen und probatorischen Sitzungen die KVen erhalten (Vermittlungsaufkommen),
-
für wie viele Anfragen ein Termin vereinbart werden kann (Vermittlungsquote),
-
ob sich die Vermittlungsquote zwischen den einzelnen KV-Regionen sowie Stadt- und Flächenland-KVen unterscheidet und
-
ob sich die Vermittlungsquote zwischen psychotherapeutischer Sprechstunde, Akutbehandlung und probatorischer Sitzung unterscheidet.
Diskussion
Wir gingen in dieser Studie der Frage nach, wie hoch das Vermittlungsaufkommen und die Vermittlungsquote bei der TSS-Psychotherapie der KVen sind. Dabei zeigte sich, dass sowohl die Anzahl der Anfragen und Terminvereinbarungen als auch der Vermittlungserfolg zwischen den einzelnen KV-Regionen heterogen sind. Es werden mehrheitlich psychotherapeutische Sprechstunden vermittelt.
Unsere Ergebnisse zeigten, dass im Jahr 2019 für 79 % aller an die KVen gerichteten Anfragen ein Termin vereinbart werden konnte. Diese Vermittlungsquote von 79 % basiert auf Daten von 16 der 17 KVen und bildet daher eine Annäherung an die Vermittlungsquote aller 17 KVen.
In den TSS-Evaluationsberichten der KBV wird die Vermittlungsquote für psychotherapeutische Anfragen auf 80 % im Jahr 2020 und 74 % im Jahr 2021 beziffert [
6,
7]. Laut unseren Daten wurden im Jahr 2019 bei allen 17 KVen insgesamt 134.578 Termine vermittelt; die KBV berichtet von 175.319 fristgerechten Vermittlungen im Jahr 2020 und 235.390 im Jahr 2021 [
6,
7]. Die Anzahl der vermittelten Termine stieg also, trotzdem konnte zwischen 2019 und 2020 eine gleichbleibende Vermittlungsquote erreicht werden, während 2021 weniger Termine erfolgreich vermittelt wurden. Die KBV begründet den allgemein verstärkten Andrang auf die TSS durch ein breiteres Aufgabenspektrum der TSS durch die COVID-19-Pandemie sowie durch eine verstärkte Medienpräsenz der TSS [
6,
7]. Beim Bekanntheitsgrad der TSS als Erklärungsansatz ist zu berücksichtigen, dass die Vermittlung psychotherapeutischer Anliegen erst nach der Psychotherapiestrukturreform 2017 zur bereits bestehenden Facharztvermittlung durch die TSS hinzukam [
1] und der Bekanntheitsgrad der TSS laut einer Befragung der KBV von 2016 zu 2019 eher abnahm [
9]. Zunehmende psychische Belastungen durch die COVID-19-Pandemie [
15‐
17] könnten erklären, warum sich laut unseren Daten im Jahr 2019 weniger Menschen an die TSS wandten als in den TSS-Evaluationsberichten der KBV für 2020 und 2021. Dass die Vermittlungsquote trotz steigenden Andrangs nahezu gleichblieb, erweckt den Anschein, dass der verstärkte Andrang im Jahr 2020 „aufgefangen werden“ konnte – es bleibt jedoch offen, ob Anfragende weitere Anfahrtswege in Kauf nehmen mussten oder ob sich die Wartezeiten auf die vermittelten Termine veränderten. Für die KV Bayern liegen Daten zu Wartezeiten sowohl für die Jahre 2017/2018 [
10,
11] als auch für 2021 [
12] vor. 2021 lag die mediane Zeitspanne zwischen psychotherapeutischer Sprechstunde und Beginn einer Richtlinientherapie bei 97 Tagen bzw. 13,9 Wochen [
12]. Für die Jahre 2017/2018 ergibt sich eine Wartezeit zwischen Erstgespräch und Richtlinientherapie von 12,8 [
10] bzw. 14 Wochen [
11] (dies entspricht jeweils dem berichteten Mittelwert der Wartezeit zwischen Anfrage und Richtlinientherapie abzüglich des Mittelwerts der Wartezeit zwischen Anfrage und Erstgespräch). Auch wenn die Wartezeiten nicht direkt vergleichbar sind, deutet sich eine eher gleichbleibende Dauer an. Dies kann jedoch in anderen KVen variieren und lässt sich auch nicht auf alle Patientengruppen verallgemeinern, da die Wartezeit je nach Alter oder Wohnort stark schwankt [
12]. Inwiefern sich die Wartezeit auf eine Akutbehandlung verändert haben könnte, lässt sich nicht bestimmen, da für 2021 keine Daten für die Akutbehandlung separat ausgewiesen wurden [
12].
Limitationen unserer Studie sind vor allem bedingt durch fehlende Informationen zu den Vermittlungsdaten. So können wir keine Aussage darüber treffen, welche Personen (beispielsweise aus welcher Altersgruppe) sich an die TSS wandten oder für wen (beispielsweise Personen mit welchen Diagnosen) Termine vereinbart werden können. Für zustande gekommene Termine konnte die Wartezeit oder der Vermittlungsradius nicht bestimmt werden. Weiterhin wissen wir nicht, ob die Termine überhaupt zustande kamen (oder die Anfragenden diese aufgrund möglicher Anfahrtswege ausfallen ließen) und ob eine Anschlussbehandlung folgte. Hierbei sei hervorgehoben, dass trotz einer erfolgreichen Terminvermittlung Patient*innen oftmals nicht langfristig geholfen ist. Wenn auf psychotherapeutische Sprechstunden oder probatorische Sitzungen keine Behandlung erfolgen kann und Patient*innen sich immer wieder neu auf die Suche nach einem Therapieplatz begeben müssen, kann dies eine „erhebliche emotionale Belastung [darstellen]“ [
18]. Unsere Daten erlauben keine Aussagen hinsichtlich der Versorgungssituation bei der Richtlinienpsychotherapie, da durch die TSS keine Therapieplätze für Richtlinientherapie vermittelt werden.
Zudem wurde nicht zwischen berechtigten und unberechtigten Anfragen unterschieden. Eine unberechtigte Anfrage liegt vor, wenn die Voraussetzungen für einen Vermittlungsvorgang nicht erfüllt sind (z. B. fehlende Kontaktdaten oder fehlende Diagnose, siehe auch [
4,
6,
7]). Eine fehlende Terminvereinbarung für eine Anfrage und somit eine geringe Vermittlungsquote könnte somit sowohl durch fehlende Terminkapazitäten als auch durch eine fehlende Berechtigung der Anfrage begründet sein. Geringe Vermittlungsquoten sind aus unserer Sicht jedoch nicht allein durch fehlende Berechtigungen der Anfragen zu erklären und erscheinen vor dem Hintergrund der bereits andauernden angespannten Versorgungssituation mit langen Wartezeiten [
10,
11] plausibel.
Die Aussagekraft unserer auf 16 KVen basierenden Vermittlungsquote schätzen wir aufgrund der nahezu erreichten Vollständigkeit als hoch ein.
Unsere Ergebnisse bestätigen die bereits berichtete Heterogenität der Versorgungssituation in den KV-Regionen [
10] bzw. Bundesländern [
11]. Hinsichtlich der Anzahl der Anfragen und Terminvereinbarungen lässt sich diese Heterogenität mit den unterschiedlichen Bevölkerungsdichten im Einzugsgebiet der einzelnen KVen erklären. So könnte eine geringe Anzahl von Anfragen auf eine geringe Personenanzahl im Einzugsgebiet einer KV mit Kenntnis der TSS-Psychotherapie zurückzuführen sein. Welcher Anteil der Patient*innen die TSS kennt, lässt sich aus unseren Daten jedoch nicht abschätzen. Eine heterogene Situation zeigte sich auch bei der Anzahl der Anfragen, die theoretisch auf ein Bedarfsplanungsgewicht entfallen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass unsere Daten nur die Anfragen bei der TSS abbilden. Patient*innen können sich auch direkt bei Psychotherapeut*innen melden, diese Anfragen sind den TSS aber nicht bekannt und wurden deshalb hier nicht berücksichtigt. Unterschiede zwischen den KVen zeigten sich also auf mehreren Ebenen: Sowohl hinsichtlich der Anfragen pro Bedarfsplanungsgewicht, hinsichtlich der Gesamtanzahl der Anfragen als auch hinsichtlich der Vermittlungsquoten. Da es auch aktuell „[regional unterschiedliche Rückmeldungen]“ zu Erreichbarkeit und Vermittlungskapazitäten der TSS gibt [
18], ist zu vermuten, dass dies immer noch der Fall ist. Bei der Erklärung der unterschiedlichen Vermittlungsquoten muss eine unterschiedlich hohe Nachfrage in den einzelnen KV-Regionen [
6,
7] berücksichtigt werden. Unterschiedlich lange Wartezeiten in einzelnen KV-Regionen bzw. Bundesländern [
10,
11] lassen unterschiedlich viele freie Kapazitäten bei Psychotherapeut*innen vermuten. Der daraus resultierende Mangel an Vermittlungskapazitäten könnte ein Grund für die zum Teil geringen Vermittlungsquoten sein. Da die Meldung von freien Terminen für Akutbehandlungen und probatorische Sitzungen an die TSS in Eigenregie der einzelnen KVen erfolgt, könnte ein unterschiedlich striktes Vorgehen der KVen ebenfalls zu unterschiedlichen Vermittlungsquoten beitragen.
Vor allem bei der Vermittlung der Akutbehandlung und probatorischen Sitzungen bestehen deutliche Unterschiede zwischen den KVen. Auch gegenüber der psychotherapeutischen Sprechstunde bestehen tendenzielle Unterschiede, auch wenn sich diese nicht als statistisch signifikant erwiesen. Die medianen Vermittlungsquoten von 96 % bzw. 97 % erfolgreich vermittelter Akutbehandlungen bzw. probatorischer Sitzungen pro KV implizieren einen höheren Vermittlungserfolg als bei der psychotherapeutischen Sprechstunde mit einer medianen Vermittlungsquote von 87 %. Dies zeigt, dass bei den meisten KVen die Mehrheit der Anfragen erfolgreich vermittelt werden kann. Die breite Spannweite der Vermittlungsquoten pro KV (Minima 29 % bzw. 27 %) deutet jedoch darauf hin, dass Vermittlungsprobleme hinsichtlich der Akutbehandlung und probatorischen Sitzungen hauptsächlich bei einzelnen KVen bestehen. Dass Probleme insbesondere bei Akutbehandlung und probatorischen Sitzungen existieren, könnte damit erklärt werden, dass hier Kapazitäten für mindestens 12 Einheiten à 50 min bzw. eine Richtlinientherapie im Anschluss an die probatorischen Sitzungen erforderlich sind. Damit verbundene Probleme – vor allem bei probatorischen Sitzungen – zeigt auch der Verband der Ersatzkassen in einem aktuellen Forderungspapier auf [
18]. Dagegen verlief die Vermittlung der psychotherapeutischen Sprechstunde homogener: Die mediane Vermittlungsquote von 87 % pro KV gleicht der Vermittlungsquote von 81 % aller 16 KVen (Anteil aller Terminvereinbarungen einer psychotherapeutischen Sprechstunde an allen Anfragen der 16 datenliefernden KVen). Auch hier gab es einzelne Ausreißer, die jedoch mit einem Minimum von 56 % weniger extrem ausfielen als bei Akutbehandlung und probatorischen Sitzungen.
Der Vergleich zwischen Stadt- und Flächenland-KVen zeigte, dass sowohl bei Stadt- als auch Flächenland-KVen Probleme bei solchen Vermittlungsleistungen bestanden, die mehr Kapazitäten in Anspruch nehmen (siehe oben). Dies zeigte sich bei den Stadt-KVen in mittlerem Ausmaß, während bei Flächenland-KVen eher vereinzelt erhebliche Defizite bestanden.
Analog zur Vermittlungsquote basiert die Zusammensetzung der Summe aller Anfragen auf 16 datenliefernden KVen und bildet somit eine Annäherung an die Zusammensetzung der Anfragen bei allen 17 KVen. Auch wenn sich die Anzahl der Anfragen zwischen 2019 und 2021 stark verändert hat (siehe oben), ist die Zusammensetzung über die Jahre vergleichbar geblieben. Die psychotherapeutische Sprechstunde dominiert mit 89 % im Jahr 2019 und laut KBV mit je 87 % in den Jahren 2020 und 2021 [
6,
7] (aufsummiert für Kinder‑/Jugendlichen- und ärztliche/psychologische Psychotherapeut*innen). Ein Grund für die Dominanz der psychotherapeutischen Sprechstunde unter den Anfragen könnte sein, dass Patient*innen weiterführende Termine gezielt selbst vereinbaren (sofern eine Indikation für Psychotherapie besteht), beispielsweise auf Empfehlung der/des die Sprechstunde durchführenden Psychotherapeutin/Psychotherapeuten oder unter Berücksichtigung eigener Präferenzen, wie einem angemessenen Anfahrtsweg.
Die Dominanz der psychotherapeutischen Sprechstunde zeigt, dass die TSS hauptsächlich als „Türöffner“ zur psychotherapeutischen Versorgung fungiert. In dieser Hinsicht wird sie ihrer Rolle gerecht, da im Jahr 2019 bei allen 16 datenliefernden KVen mehr als die Hälfte, bei 12 KVen sogar mindestens 80 % der Anfragen nach psychotherapeutischen Sprechstunden vermittelt werden konnten. In der Anschlussversorgung spielt die TSS eher eine untergeordnete Rolle, da nur ein geringer Anteil der Vermittlungen auf Akutbehandlungen oder probatorische Sitzungen entfallen und keine Richtlinientherapie durch die TSS vermittelt wird. Hier zeigten sich zudem deutlichere Unterschiede zwischen den KVen als bei der psychotherapeutischen Sprechstunde. In einigen KV-Regionen kann die TSS durch erfolgreiche Vermittlung von Akutbehandlungen und probatorischen Sitzungen zur Anschlussversorgung beitragen, in einzelnen Regionen zeigten sich deutliche Defizite. Der Beitrag der TSS zur psychotherapeutischen Versorgung liegt also hauptsächlich im Angebot eines niedrigschwelligen Zugangs.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.