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04.07.2019 | Kardiologie | Nachrichten

Bildgebung bei Angina pectoris

Kardio-MRT-basierte Selektion bei Risikopatienten spart unnötige Revaskularisationen

verfasst von: Philipp Grätzel

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Patienten mit stabiler Angina pectoris und kardiovaskulären Risikofaktoren profitieren von einer MRT-basierten, diagnostischen Strategie: Im Vergleich zu einem FFR-basierten Vorgehen wird am Ende weniger revaskularisiert, ohne dass das Risiko für die Patienten steigt.

Die Frage, wie Patienten mit stabiler Angina pectoris im Hinblick auf perkutane Koronarinterventionen (PCI) optimal ausgewählt werden sollten, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. An vielen Einrichtungen hat sich die invasive Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR) als Stratifizierungsinstrument durchgesetzt. Dies erfordert eine diagnostische Koronarangiographie. Teilweise wird auch auf Basis einer CT-Koronarangiographie stratifiziert, die mittlerweile eine Computermodellierung der FFR (FFRCT) erlaubt.

Optimal ist das alles nicht. Wird primär koronarangiografiert, dann ist der Anteil der Patienten, die letztlich keine PCI erhalten, abhängig von der Prätestwahrscheinlichkeit oft relativ hoch. Auch die primäre Koronar-CT, gegebenenfalls mit FFRCT, sieht Prof. Dr. Eike Nagel vom Institut für experimentelle und translationale kardiovaskuläre Bildgebung an der Universität Frankfurt, zumindest bei Patienten mit mittlerer bis hoher Prätestwahrscheinlichkeit kritisch: „Die Patienten, bei denen eine PCI nötig ist, werden bei diesem Vorgehen zweimal ionisierender Strahlung ausgesetzt, und sie erhalten zweimal nierenschädigendes Kontrastmittel.“

Kardio-MRT als strahlungsfreie Alternative

Eine strahlungsfreie Alternative ist die Stratifizierung von Angina pectoris-Patienten mittels Kardio-MRT. Dies wurde unter Nagels Leitung in der randomisierten MR-INFORM-Studie untersucht, deren Ergebnisse 2017 beim ACC vorgestellt worden waren und die jetzt im New England Journal publiziert wurden. An der MR-INFORM-Studie nahmen 918 Patienten mit typischer Angina teil, die zwei oder mehr kardiovaskuläre Risikofaktoren aufwiesen oder ein pathologisches Belastungs-EKG zeigten. „Es handelte sich also um Patienten mit hoher Prätestwahrscheinlichkeit, das ist für die Interpretation der Ergebnisse wichtig“, so Nagel zu Kardiologie.org.

Die Patienten wurden in eine Kardio-MRT- oder eine FFR-Gruppe randomisiert. In der Kardio-MRT-Gruppe wurde dann eine invasive Untersuchung mit ggf. Revaskularisation empfohlen, wenn mindestens 6 Prozent des Myokards Hinweise auf eine Ischämie zeigten. Die Bewertung erfolgte anhand einer Perfusionsmessung unter Gadolinium- und Adenosin-Gabe sowie anschließender Messung der Ruheperfusion und Narbenbildgebung (Late-Enhancement). Die abschließende Entscheidung für oder gegen eine PCI traf der interventionelle Kardiologe, der den MRT-Befund kannte, aber keine zusätzliche FFR-Messung durchführen durfte.

In der FFR-Gruppe wiederum erfolgte initial eine Koronarangiografie mit FFR-Messung in allen Gefäßen ab 2,5 mm Durchmesser, die zu mindestens 40 Prozent stenosiert waren. Eine FFR von 0,8 oder weniger bzw. ein totaler Verschluss waren in dieser Gruppe Indikationen für die PCI. Primärer Endpunkt der auf Nachweis einer Nicht-Unterlegenheit angelegten Studie waren schwere kardiovaskuläre Ereignisse, definiert als Tod, Myokardinfarkt oder Revaskularisation des Zielgefäßes innerhalb eines Jahres.

Ergebnis zeigte Nicht-Unterlegenheit von Kardio-MRT

Im Ergebnis konnte die Nicht-Unterlegenheit demonstriert werden. 3,6 Prozent der Patienten in der Kardio-MRT-Gruppe und 3,7 Prozent in der FFR-Gruppe erreichten ein primäres Endpunktereignis. Bei den einzelnen Endpunktkomponenten gab es keine signifikanten Unterschiede. „Insgesamt hatten wir weniger Ereignisse als erwartet, sodass die Konfidenzintervalle relativ breit sind. Wir betrachten das Ergebnis aber dennoch als robust genug“, so Nagel.

Die Nicht-Unterlegenheit in der Kardio-MRT-Gruppe wurde mit hoch signifikant weniger Invasivität erreicht: Bei knapp der Hälfte der Patienten in der Kardio-MRT-Gruppe erfolgte eine invasive Koronarangiographie, und bei 35,7 Prozent der Patienten in der Kardio-MRT-Gruppe, gegenüber 45,0 Prozent in der FFR-Gruppe, wurde primär eine PCI durchgeführt. (p=0,005) Anders formuliert: Bei rund der Hälfte der Patienten kamen die Kardiologen in der Kardio-MRT-Gruppe initial ganz ohne Katheter aus. Klinisch machte das keinen Unterschied: In beiden Gruppen gab es eine signifikante Verringerung im CCS-Score nach einem Jahr im Vergleich zum Ausgangswert. Der Anteil der Patienten komplett ohne Angina nach einem Jahr unterschied sich nicht.

Nagel sieht die Kardio-MRT vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse als Stratifizierungsinstrument der Wahl bei Patienten mit stabiler Angina und hoher Prätestwahrscheinlichkeit an: „Leider ist es in Deutschland weiterhin mühselig, aus solchen Studien klinische Konsequenzen zu ziehen. Kardiologische Einrichtungen verdienen mit der Kardio-MRT bei den meisten Patienten kein Geld, wohl aber mit Katheteruntersuchungen. Aus unserer Sicht muss das Erstattungssystem bei KHK-Patienten deswegen grundsätzlich verändert werden“, so Nagel.

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Literatur

Nagel E et al. Magnetic Resonance Perfusion or Fractional Flow Reserve in Coronary Disease. New Engl J Med 2019; 380:2418-28

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