Impingement-Syndrome
Kommt es durch degenerative Veränderungen wie
Ödeme, Einblutungen, osteophytäre Anbauten oder Verdickungen des Lig. coracoacromiale (CA-Ligament) zu Verkleinerungen im subacromialen oder subcoracoidalen Raum, kann es in der Folge zu Einklemmungen von Sehnenmaterial oder Weichteilgewebe (z. B. Bursa subacromialis) kommen. Die Patienten klagen hierbei typischerweise über
Schmerzen bei glenohumeralen Abduktionsbewegungen, vor allem zwischen 60° und 120° („painful arc“). Dies wird in der orthopädischen Praxis als subacromiales Impingement
bezeichnet. Bei länger bestehendem Impingement kann es zu einer chronischen Bursitis subacromialis sowie im Verlauf zu Partialläsionen an der Rotatorenmanschette (vor allem Suprasinatussehne) kommen.
Beim subcoracoidalen Impingement kommt es zu einer Beteiligung von Tuberculum minus, Subscapularissehne (SSC-Sehne) sowie Proc. coracoideus. Bei Flexion in Innenrotation (IRO) kann im Verlauf eine Subscapularisläsion auftreten. In den meisten Fällen ist eine bestehende anterosuperiore Subluxation des Oberarmkopfes als Ursache zu finden. Selten ist ein prominentes Coracoid ursächlich. Tab.
1 fasst die verschiedenen Ätiologien des subacromialen Impingements zusammen.
Tab. 1Ätiologie des subacromialen Impingements (Imhoff et al.
2014)
Primäres (Outlet-)Impingement | Sekundäres (Non-Outlet-)Impingement | |
= Einengung durch mechanische Faktoren | = Einengung durch andere Ursachen | = Veränderungen an der Sehne selbst |
• Ventraler Acromionsporn | • Fehlende Kopfdepression bei Rupturen der Rotatorenmanschette | • Überbeanspruchung |
• Pathologische Acromiontypen (Bigliani-Typ III) | • Gestörte Biomechanik durch muskuläre Dysbalancen, Instabilität, Frozen Shoulder | • Einklemmungsbedingte Minderdurchblutung |
• Osteophyten im Acromioclavikculargelenk | • Chronische Bursitis | • Degenerative Schädigung der Supraspinatussehne |
• Mobiles Os acromiale | • Kalkschulter | |
• Fehlverheilte Tuberculum-majus-Frakturen | • Neurogene Ursachen | |
• Vernarbungen an der Rotatorenmanschette durch Rekonstruktion (z. B. Naht) | | |
Die Sportlerschulter: GIRD und PSI
Eine häufige Verletzung im orthopädischen (vor allem sportorthopädischen) Alltag stellt die
Sportlerschulter dar. Überkopf- und Wurfsportarten, wie z. B. Baseball, Tennis, Volleyball oder Speerwerfen, zeigen eine hohe Inzidenz an komplexen Überlastungsschäden der Schulter. Oft führt ein funktionell einseitiges Training zu einer progredienten Verkürzung der dorsalen Kapsel und in hoher Abduktion zu einer verminderten hohen Innenrotation (Schmitt et al.
2001). Diese Verletzung wird als glenohumerales Innenrotationsdefizit (GIRD)
bezeichnet (Braun et al.
2009). Zugleich kommt es bei diesen Patienten langfristig zu einer Schwächung der außenrotierenden Muskeln der Rotatorenmanschette. Dies führt durch eine repetitive Erweiterung der vorderen Kapsel bei gleichzeitiger Verkürzung der dorsalen Kapselstrukturen zu einer Dezentrierung des Humeruskopfes mit posterosuperioren
Translation (Burkhart et al.
2003a,
2003b). Dieser Pathomechanismus führt langfristig zu einem inneren „Impingement“ im Bereich des posterosuperioren Glenoids (posterosuperiores Impingement, PSI)
(Walch et al.
1992). Kommt es anschließend zu einem Kontakt der artikularseitigen Supraspinatussehne (SSP-Sehne) und Infraspinatussehne (ISP-Sehne) mit dem posterosuperioren Glenoidrand, entsteht das Verletzungsbild einer partiellen oder vollständigen Ruptur der Rotatorenmanschette (RM)
(Burkhart et al.
2003c). Oft zeigen sich hierbei Kombinationsverletzungen des Labrums und Pulley-Systems oder eine Ablösung des langen Bizepssehnenankers (SLAP, „superior labrum anterior to posterior“) (Waldt et al.
2004).
Zeigt sich beim GIRD in der klinischen Untersuchung im Seitenvergleich eine Einschränkung der hohen Innenrotation (in 90°-Abduktion bei fixierter Scapula) um 20°, ist dies bereits als pathologisch zu werten. Am Anfang jeder Therapie steht primär die konservative Beübung. Im Mittelpunkt steht hierbei die Dehnung der posterioren Kapselstrukturen sowie eine Optimierung des Scapula-Settings (Cools et al.
2016; Mcclure et al.
2007; Tyler et al.
2010; Wilk et al.
2002). Kommt es nach intensiver lang andauernder Physiotherapie (bis zu 6 Monate) nicht zu dem gewünschten Ergebnis, kann eine operative minimal-invasive Arthrolyse vor allem der posterioren Kapselstrukturen Abhilfe leisten. Dabei können gleichzeitig Pathologien wie SLAP-Läsion
en, Pulley-Läsion
oder posterosuperiore RM-Defekte adressiert werden.
Beim anterosuperioren Impingement (ASI)
kommt es vor allem bei Innenrotation, Flexion und Adduktion durch einen ständigen Kontakt des Pulley-Systems mit der SSC-Sehne und dem anterosuperioren Glenoidrand zu persistierenden
Schmerzen (Kirchhoff und Imhoff
2010). Ein positiver SSC-Test sowie ein Druckschmerz am Sulcus bicipitalis können hier erste Hinweise auf eine bestehende Schulterenge liefern.
Die Rotatorenmanschette
Rupturen der Rotatorenmanschette
(RM) stellen eine der häufigsten Entitäten für Besuche beim Orthopäden dar. Die
Prävalenz der RM-Ruptur steigt mit höherem Lebensalter. Bei asymptomatischen Personen im Alter von 60–69 konnten in mehr als 20 % der Fälle Partialläsionen der RM nachgewiesen werden. In symptomatischen Patienten steigt diese Zahl bereits auf über 50 % (Milgrom et al.
1995; Tempelhof et al.
1999). Die Pathogenese der RM-Ruptur basiert auf intrinsischen oder externen Faktoren sowie auf direkten oder indirekten Traumata. Im Rahmen von degenerativen Prozessen kann es im Laufe der Jahre zu Veränderungen der Sehne (meist artikularseitige Partialläsionen) kommen. Zeigen sich jedoch pathologische Acromionformen (z. B. Bigliani-Typ III), ossäre Anbauten oder ähnliche mechanische Hindernisse, spricht man von extrinsischen Faktoren (Finnan und Crosby
2010; Lohr und Uhthoff
2007). Abzugrenzen sind hierbei Traumata wie direktes Anpralltrauma, Zerreißtrauma oder
Schulterluxation.
Impingement-Syndrome ziehen in der Regel bursaseitige Partialläsionen der SSP-Sehne nach sich. Das PSI gilt es hierbei abzugrenzen, da es im Verlauf zu artikularseitigen Partialläsionen kommen kann. Treten bei Patienten intratendinöse Risse auf, ist dies auf unterschiedliche Scherkräfte zwischen den einzelnen Sehnenschichten zurückzuführen (Finnan und Crosby
2010; Fukuda
2000; Fukuda et al.
1996,
1990). Davon abzugrenzen sind die streng artikularseitigen PASTA-Läsionen (PASTA = „partial articular supraspinatus tendon avulsion“)
.
Aufgrund der Biomechanik des Menschen sowie der daraus resultierenden höheren Belastung treten RM-Rupturen am häufigsten im anterosuperioren Schulteraspekt auf. Durch Überanspruchung und Fehlbelastung der restlichen Sehnenfasern kommt es somit zu einer Progression der Risskonfiguration (Bateman
1963). Langfristig entwickelt sich hierbei eine Dezentrierung des Humeruskopfes mit konsekutiver Kranialisierung des Oberarmkopfes (Halder et al.
2002; Neer 2nd et al.
1983). Bei einem ungleichen Kräfteverhältnis zwischen ventralen (M. subscapularis) und dorsalen (M. infraspinatus, M. teres minor)
Stabilisatoren kommt es durch eine Insuffizienz der transversalen „force couple
“ (anteriores und posteriores Kräftepaar) ebenfalls zu einer glenohumeralen Dezentrierung.
Die konservative Therapie der RM-Läsion ist bei inaktiven Patienten mit reduzierter
Compliance, bei bestehender Frozen-Shoulder-Symptomatik oder kleineren Partialläsionen indiziert (Dietz et al.
2002). Ziel sollte hierbei die Zentrierung des Oberarmkopfes im Glenoid sowie eine funktionelle Kräftigung der RM sein. Des Weiteren steht ein ausgedehntes Training des Scapula-Settings im Vordergrund. Eine gestörte thorakoskapuläre Balance bei Patienten mit RM-Läsionen ist hierbei oft zu beobachten(Burkhart et al.
2003b). Vor allem die Schulterblatt führende Muskulatur, wie der M. serratus anterior, die Mm. rhomboideii als auch M. levator scapulae, sollte hierbei im Fokus stehen. Auch Dysbalancen des M. latissimus dorsi, M. teres major sowie M. pectoralis major als aktive Humeruskopfdepressoren sind zu beheben. Ein ausgedehntes Rumpftraining kann hierbei ein Training effektiv abrunden (Baumgarten et al.
2009).
Zeigen sich die konservativen Maßnahmen erschöpft oder handelt es sich um Rupturen mit einer Defektgröße von >50 %, traumatische Rupturen oder Massenrupturen (mehr als 2 Sehnen), ist eine operative Therapie indiziert (Burkhart und Lo 2006) . Die Techniken werden weiter unten detailliert beschrieben.
Nicht rekonstruierbare RM-Läsionen stellen hierbei die Chirurgen des Öfteren vor Probleme. In den letzten Jahren hat sich hierbei eine neue Technik bei nicht rekonstruierbaren Rupturen der SSP-Sehne (Mihata et al.
2018) als vielversprechend gezeigt (SCR, „superior capsule reconstruction“). Um eine Kranialisierung des Humeruskopfes zu vermeiden, wird hierbei ein Fascia-Lata-Autograft oder alternativ ein dermales Allograft als superiore Defektdeckung zwischen Glenoidoberrand und Tuberculum majus fixiert. Die posterioren und anterioren Ränder werden mit der verbliebenen RM vernäht.
Als Alternative bei nicht rekonstruierbaren Sehnendefekten steht der autologe Sehnentransfer
zur Verfügung. Anterosuperiore Rupturen können mit dem M.-pectoralis-major-Transfer
(Shin et al.
2016) effektiv therapiert werden. Kommt es zu einer posterosuperioren Ruptur, kann ein Transfer des M. latissimus dorsi
(Gerber
1992) in Erwägung gezogen werden. Dabei sind in der Literatur verschiedene Techniken beschrieben. Wichtig bei beiden Transfers ist jedoch das spezielle Patientenkollektiv. Jüngere Patienten mit hoher
Compliance eignen sich hierbei am besten für die oben beschriebenen Operationstechniken, da ein Umlernen des Bewegungsumfangs stattfinden muss. Ein präoperatives Drop-arm-Sign, hohes Patientenalter, eingeschränkte Compliance sowie eine bereits eingetretene Defektarthropathie
sind als negative Prädiktoren für das primäre Outcome zu beachten (Buchmann et al.
2012).
Ist bei dem Patienten bereits eine exzentrische Omarthrose oder eine Cuff-Arthropathie
eingetreten, kann es im Endstadium zu einer Acetabularisierung des Oberarmkopfes mit dem Acromion kommen. Hieraus kann eine schmerzhafte Pseudoparalyse des Arms entstehen (Fukuda et al.
1996). Als einzige operative Prozedur kommt hierbei die inverse Prothese in Betracht. Durch eine Medialisierung und Kaudalisierung des Drehzentrums kann so mit Hilfe der inversen Prothese eine erhöhte Vorspannung des M. deltoideus und ein verbesserter Kraftvektor erreicht werden. Dies ermöglicht dem Patienten, je nach Indikation, eine aktive Elevation des Armes von etwa 120–140° (Naveed et al.
2011).