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Klinische Angiologie
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Publiziert am: 24.04.2024

Riesenzellarteriitis

Verfasst von: Wolfgang A. Schmidt
Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist eine Autoimmunerkrankung mit Vaskulitis großer und mittelgroßer Arterien, häufig der Temporalarterien (Arteriitis temporalis), oft zusätzlich oder ausschließlich anderer Arterien wie Aorta oder A. axillaris (extrakranielle RZA). Typisch sind Kopfschmerzen, Polymyalgia rheumatica und Krankheitsgefühl. Gefürchtet ist die Erblindung bei verzögertem Therapiebeginn. Die Diagnose soll bildgebend (1. Wahl Sonografie, auch MRT, PET-CT) oder durch Temporalarterienbiopsie gesichert werden, am besten in einer spezialisierten Fast-Track-Sprechstunde. Bei Verdacht soll unverzüglich eine Therapie mit 40–60 mg/d Prednisolon eingeleitet werden. Bei Augen- oder zerebralen Komplikationen erfolgt eine Kortikoidpulstherapie mit 0,5–1 g/d über 3–5 Tage. Nach 3 Monaten sollte eine Dosis von 10–15 mg/d erreicht sein. Nach weiterer Reduktion kann Prednisolon meist nach 1–3 Jahren abgesetzt werden. Kortikoidsparend können Tocilizumab oder Methotrexat gegeben werden.

Einleitung

Riesenzellarteriitis
Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist eine primäre Vaskulitis großer und mittelgroßer Arterien, die durch mononukleäre Zellinfiltrate, Riesenzellen und/oder Granulome der Gefäßwand charakterisiert ist (Jennette et al. 2013).
Bei Befall der Temporalarterien findet sich typischerweise ein neuer, kontinuierlicher Schläfenkopfschmerz, oft auch ein Kauschmerz. Bei extrakraniellen Stenosen oder Verschlüssen kann es zur Arm-Claudicatio (Arteria subclavia, axillaris, proximale brachialis), seltener zu Bein-Claudicatio (Arteria femoralis, poplitea) oder zum ischämischen Apoplex (Arteria vertebralis) kommen. Erblindungen erstehen meist im Rahmen einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie (AION) durch Verschluss der Arteria ciliaris posterior. Um Komplikationen zu vermeiden, muss umgehend eine Therapie mit Glukokortikoiden eingeleitet werden. Wenn keine ischämischen Komplikationen aufgetreten sind, ist die Prognose gut (Schmidt 2019, 2020).

Epidemiologie

Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer RZA zu erkranken, beträgt etwa 1,0 % für Frauen und 0,5 % für Männer (Crowson et al. 2011). Nahezu alle Patienten sind ≥ 50 Jahre alt. Das durchschnittliche Alter beträgt 70–75 Jahre. Patienten mit extrakranieller RZA sind durchschnittlich um wenige Jahre jünger als Patienten mit kranieller RZA (Kap. „Epidemiologie und Pathophysiologie entzündlicher Gefäßerkrankungen“).

Klinisches Bild

Die Symptome entwickeln sich oft innerhalb eines kurzen Zeitraums von wenigen Tagen. Sie können individuell sehr unterschiedlich sein. So können Kopf- und Kauschmerzen, Schulter- und Beckengürtelschmerzen (Polymyalgia rheumatica), Arm-Claudicatio oder Abgeschlagenheit mit subfebrilen Temperaturen im Vordergrund stehen. Tab. 1 beschreibt die wichtigsten Symptome, die bei Verdacht auf eine RZA erfragt werden sollen.
Tab. 1
Gezielte Anamnese bei Verdacht auf RZA
Symptom
Anmerkung
Kopfschmerz
Meist temporal, seltener okzipital, neuer Charakter, anhaltend, häufiger bilateral als unilateral
Berührungsempfindlichkeit der Kopfhaut
Zum Beispiel beim Kämmen. Stärkerer Druck, etwa durch Ultraschallkopf mit Kompression der Temporalarterien, stört dagegen nicht
Kauschmerz
Oft auch Ermüdbarkeit beim Kauen. Assoziiert mit häufigerer Erblindung und Vaskulitis der Arteria facialis
Sehstörung
Amaurosis fugax, Erblindung, Gesichtsfeldausfall, Doppelbilder
Polymyalgia rheumatica
Schulter-, Rücken- und Beckengürtelschmerz, große Schwierigkeiten beim An- und Auskleiden und Bewegung auf Untersuchungsliege, Morgensteifigkeit
Gewichtsabnahme
Bei längerem Intervall bis Therapiebeginn häufig 5–10 kg
Nachtschweiß
Temperaturerhöhung, aber kein hohes Fieber
Krankheitsgefühl
Abgeschlagenheit, eingeschränkte Belastbarkeit
Trockener Husten
Besonders bei extrakraniellem Befall
Arm-Claudicatio
Durch Stenose oder Verschluss der Arteria subclavia, axillaris oder der proximalen Arteria brachialis
Wichtig ist die Palpation der Temporalarterien.
Im Falle einer Vaskulitis sind die Temporalarterien derb verdickt oder zumindest häufig nur mit reduziertem Puls tastbar.
Aktuelle Klassifikationskriterien setzen die Diagnose einer Vaskulitis voraus. Sie eignen sich nicht für die Diagnosestellung, denn ohne diese Voraussetzung haben sie im klinischen Alltag eine niedrige Spezifität (Tab. 2; Ponte et al. 2022; van Nieuwland et al. 2023). Die Diagnose kann dagegen gestellt werden, wenn eine typische Symptomatik (z. B. Kopfschmerz, Polymyalgie) und erhöhte Entzündungsparameter vorliegen, sowie eine Bestätigung durch Bildgebung (Sonografie, MRT, PET-CT) oder Histologie (in der Regel durch Temporalarterienbiopsie) erfolgt ist.
Tab. 2
Klassifikationskriterien der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) und des American College of Rheumatology (ACR) für die Riesenzellarteriitis. (Ponte et al. 2022)
 
Kriterium (> 6 Punkte erforderlich für die Klassifikation der RZA)
Punkte
Voraussetzungen
Diagnose einer Mittel- oder Großgefäßvaskulitis ist gestellt
 
Alternative Diagnosen, die eine Vaskulitis vortäuschen können, sind ausgeschlossen
 
Alter > 50 Jahre
 
Klinische Kriterien
Morgensteifigkeit in Schultern und am Nacken
+ 2
Plötzlicher Sehverlust
+ 3
Kiefer- oder Zungenklaudikation
+ 2
Neuer temporaler Kopfschmerz
+ 2
Berührungsempfindlichkeit der Kopfhaut
+ 2
Pathologischer Tastbefund der Temporalarterien
+ 2
Diagnostische Tests
Maximale BSG > 50 mm/h oder maximales CRP > 10 mg/l
+ 3
Positive Temporalarterienbiopsie oder positive Sonografie der Temporalarterien (Halo-Zeichen)
+ 5
Bilaterale Beteiligung der Axillararterien (jede Bildgebung)
+ 2
FDG-PET-Aktivität über der ganzen Aorta
+ 2

Diagnostik

Bei Verdacht muss eine RZA innerhalb weniger Tage bestätigt oder ausgeschlossen werden.
Cave
Ein verspäteter Therapiebeginn kann zu irreversiblen Komplikationen wie Erblindung oder zerebrale Ischämien führen. Eine falsch gestellte Diagnose führt zu einer nicht indizierten Glukokortikoidtherapie mit entsprechenden Komplikationen (Dejaco et al. 2023; Hellmich et al. 2020; Schirmer et al. 2020).

Laboruntersuchungen

CRP und BSG sind nahezu immer erhöht. CRP ist spezifischer. Es gibt keine pathognomische Labordiagnostik.

Histologie

Die Temporalarterienbiopsie mit Resektion eines mindestes 1 cm langen Segments eines Temporalarterienastes war früher Goldstandard. Der histologische Nachweis von mononukleären Zellinfiltraten, Riesenzellen oder Granulomen bestätigt die Verdachtsdiagnose einer RZA. Seltener wird die Diagnose einer Aortitis am operativen Präparat histologisch gestellt. Die Temporalarterienbiopsie hat weiterhin einen Stellenwert, wenn die Bildgebung nicht eindeutig ist. Wesentlicher Nachteil der Temporalarterienbiopsie ist der Zeitverzug von mehreren Tagen bis Wochen zwischen Anmeldung der Biopsie bis zum Erhalt des Befundes. Die Temporalarterienbiopsie ist in Deutschland selten ambulant verfügbar.

Bildgebung

Bei einer Vaskulitis ist die Gefäßwand meistens zirkulär verdickt. Dies führt zu charakteristischen Befunden von Sonografie, Magnetresonanztomografie (MRT) und Computertomografie (CT) (Casteleyn und Schmidt 2023). In der Sonografie ist der charakteristische Befund als Halo-Zeichen bekannt (Abb. 1), das nicht komprimierbar ist. Die 18F (18-Fluorodeoxyglukose)-Positronenemissionstomografie (PET) detektiert einen gesteigerten Glukosestoffwechsel im Rahmen einer entzündlichen Aktivität. Die Entscheidung, welches Verfahren zur Diagnosesicherung verwendet wird, ist abhängig von Verfügbarkeit und Expertise. Die Sonografie wird als Erstliniendiagnostik empfohlen. Sie ist breit verfügbar, preiswert, und die Datenlage ist exzellent (Dejaco et al. 2023; Bosch et al. 2023). Wegen der hohen örtlichen Auflösung bietet sie sich besonders für die Untersuchung der Temporalarterien an.
Die Bildgebung soll möglichst innerhalb der ersten 3 Tage nach Therapiebeginn durchgeführt werden.
Die Sensitivität aller Verfahren lässt besonders an den Temporalarterien und bei der PET-CT an allen Arterien schnell nach.
Die geplante Diagnostik darf den Therapiebeginn auf keinen Fall verzögern.
Insbesondere an extrakraniellen Arterien lässt sich oft noch nach Monaten eine charakteristische zirkuläre Wandschwellung nachweisen, auch wenn diese manchmal nicht mehr so ausgeprägt ist. Für alle bildgebenden Verfahren ist Expertise für die besondere Fragestellung Voraussetzung.
Die Vorstellung soll, wenn immer möglich, bei einem auf die interdisziplinäre Diagnostik und Therapie von Großgefäßvaskulitiden spezialisierten Team erfolgen (Schirmer et al. 2020).
Im Krankheitsverlauf können Sonografie, MRT und CT eine Abnahme der pathologischen Wanddicke nachweisen. Mittels PET-CT kann ggf. eine Abnahme des Glukosestoffwechsels in der Gefäßwand dargestellt werden.
Cave
Von der Überinterpretation von verbliebenen Wandschwellungen oder positiven PET-Befunden muss jedoch gewarnt werden.
Die Aktivitätsbeurteilung erfolgt in der Regel über die Anamnese und Beurteilung des CRP-Wertes.
Tab. 3 legt die Vor- und Nachteile der einzelnen bildgebenden Verfahren dar.
Tab. 3
Bildgebende Verfahren zur Diagnosesicherung einer RZA
Methode
Vorteile
Nachteile
Sonografie
• Breit und sofort verfügbar, preiswert
• für Fast-Track-Sprechstunde geeignet
• patientenfreundlich, leicht wiederholbar
• im Rahmen der klinischen Untersuchung möglich
• hohe Ortsauflösung
• keine Strahlenexposition
• sehr hohe Evidenz
• Fehlende Beurteilung der thorakalen Aorta descendens
MRT
• Gute Übersicht über viele Gefäße
• keine Strahlenexposition
• hohe Evidenz
• Cave: Kranielle Arterien nur mit speziellen, hochauflösenden Spulen beurteilbar
• höhere Kosten als Sonografie
CT
• Gute Übersicht über viele Gefäße
• Kombination mit PET
• Strahlenexposition
• keine Daten zu Temporalarterien
• höhere Kosten als Sonografie
PET-CT
• Gute Übersicht über viele Gefäße
• Hinweise auf Krankheitsaktivität
• Detektion anderer Erkrankungen
• neue Technik erlaubt auch Beurteilung der Temporalarterien
• Sehr hohe Strahlenexposition
• teurer als die anderen Verfahren
• keine ambulante Kostenerstattung bei gesetzlicher Krankenversicherung (außer bei ambulanter spezialfachärztlicher Versorgung)

Fast-Track-Sprechstunden

Die Inzidenz der Erblindung nahm nach Einführung von Fast-Track-Sprechstunden deutlich ab (Patil et al. 2015; Diamantopoulos et al. 2016).
Tipp
Bei Verdacht auf RZA kann ein Arzt das Team der Fast-Track-Sprechstunde kontaktieren. Der Patient erhält dann werktäglich innerhalb von 24 h einen Termin.
Dabei wird der Patient von einem auf die RZA spezialisierten Facharzt klinisch untersucht und zumindest an den Temporalarterien und Axillararterien sonografiert, in der Regel auch an den Halsarterien, ggf. an weiteren Arterien. Alternativ kann die Untersuchung ohne Zeitverzug auch durch einen in der Sonografie erfahrenen anderen Untersucher erfolgen. Der Patient verlässt dann die Sprechstunde mit einer klaren Diagnose und im Falle einer RZA mit einem Therapieschema, das die sofortige Glukokortikoidtherapie beinhaltet. Gegebenenfalls werden weiterführende Untersuchungen veranlasst.

Weitere Diagnostik

Weitere Laboruntersuchungen

Um die RZA von dem selten vorkommenden Großgefäßbefall bei Kleingefäßvaskulitis abzugrenzen, wird ein Urinstatus zum Ausschluss einer Glomerulonephritis und die Bestimmung der antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörper (ANCA) empfohlen (Schmidt 2019). Da die Blutzuckerwerte bei Glukokortikoidtherapie häufig ansteigen, sollte die Glukose bestimmt werden. Routinemäßig werden Blutbild, Kreatinin, Transaminasen und Kreatinin untersucht. Sollte eine Therapie mit Tocilizumab (s. Abschn. 5.2) geplant sein, wird zusätzlich ein Tuberkulintest und eine Hepatitis-B- und -C-Serologie sowie die Cholesterinbestimmung empfohlen.

Knochendichtemessung

Da für die Behandlung der RZA eine länger dauernde, höher dosierte Glukokortikoidtherapie erforderlich ist, sollte eine Osteopenie oder Osteoporose ausgeschlossen oder nachgewiesen werden. In diesen Fällen sollte zusätzlich zur Vitamin-D-Substitution eine Therapie mit Alendronsäure oder anderen Osteoporosemedikamenten veranlasst werden.

Augenärztliche Untersuchung

Der Augenhintergrund sollte zu Beginn untersucht werden, um klinisch okkulte ischämische Veränderungen auszuschließen. Außerdem ist die Bestimmung des Augendrucks unter Glukokortikoidtherapie wichtig.

Weitere Bildgebung

Vor Tocilizumab sollen mittels Röntgenthorax spezifische Residuen ausgeschlossen werden. Aortenaneurysmen können insbesondere im Verlauf auftreten. In diesem Fall kann die Echokardiografie gut Aneurysmen der Aorta ascendens erkennen, während insbesondere für die Darstellung der thorakalen Aorta descendens MRT oder CT geeignet sind.

Therapie

Glukokortikoide

Bei begründetem Verdacht auf eine RZA soll umgehend eine Glukokortikoidtherapie begonnen werden (Schirmer et al. 2020).
In der Regel bilden sich nach 60 mg Prednisolon per os die Symptome bereits in 6–24 h deutlich zurück. Bei der Mehrzahl der Patienten beginnen wir mit einer Tagesdosis von 60 mg Prednisolon. Einzelne Patienten mit niedrigem Gewicht und erhöhtem Risiko für Glukokortikoid-assoziierte Folgeschäden können zu Beginn nur 40 mg täglich erhalten. Bei AION, Amaurosis fugax, Doppelbildern, zerebralen und anderen Ischämien erfolgt eine Pulstherapie mit 0,5–1 g Methylprednisolon i.v. täglich für 3 Tage, maximal für 5 Tage, dann weiter mit 60 mg per os täglich. Bei Dosisreduktion sollten etwa 10–15 mg/d Prednisolon nach 3 Monaten erreicht werden (Schirmer et al. 2020). Tab. 4 zeigt das Therapieschema, nach dem die meisten Patienten des Autors behandelt werden. Die Prednisolondosis wird hier relativ rasch reduziert mit Erreichen einer Dosis von 10 mg/d in Woche 10–14. Der Patient muss die Möglichkeit haben, bei erneuten Beschwerden den Behandler zeitnah zu kontaktieren. Der CRP-Wert kann monatlich kontrolliert werden. Ein Rezidiv wird üblicherweise anamnestisch (wiederkehrende Symptome) in Kombination mit einer CRP-Erhöhung diagnostiziert. Beim Rezidiv kann in der Regel dann die Prednisolondosis auf die zuletzt gut wirksame Dosis erhöht werden, meistens um 2 Stufen, um dann ggf. etwas langsamer weiter reduziert zu werden. Erblindungen sind im Verlauf unter Therapie bei diesem Vorgehen extrem selten (Kap. „Immunsuppressive Behandlung bei entzündlichen Gefäßerkrankungen“).
Tab. 4
Beispiele für Prednisolon-Reduktionsschemata bei RZA
 
Prednisolon-Monotherapie, Standard
Prednisolon-Monotherapie, niedrig
Kombitherapie mit Tocilizumab (Unizony et al. 2013)
Beginn mit
60 mg/d für 2 Wochen
40 mg/d für 2 Wochen
60 mg/d für 1 Woche
Wöchentliche Reduktion auf
50-40-30-20-17,5-15-12,5-10 mg/d
35-30-25-20-17,5-15-12,5-10 mg/d
50-40-35-30-25-20-15-12,5-12,5-10-9-8-7 mg/d
Weitere Reduktion
1 mg pro Monat
1 mg pro Monat
1 mg alle 2 Wochen

Glukokortikoid-einsparende Therapie

Tocilizumab

Tocilizumab ist für die Behandlung der RZA seit 2017 zugelassen. Die kumulative Glukokortikoiddosis konnte in Studien gegenüber einer Glukokortikoidmonotherapie reduziert werden, und es traten weniger Rezidive auf. Bei den meisten Patienten können Glukokortikoide nach 6 Monaten abgesetzt werden (Stone et al. 2017). Tocilizumab ist ein Biologikum. Es bewirkt eine Inhibition des Interleukin-6-Rezeptors und ist schon länger für die Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen. Die Dosis beträgt 162 mg einmal wöchentlich subkutan. Nach individueller Abwägung ist die Therapie insbesondere bei erhöhtem Risiko für Glukokortikoid-assoziierte Folgeschäden und nach Rezidiven mit erhöhtem Glukokortikoidbedarf sinnvoll (Hellmich et al. 2020; Schirmer et al. 2020).
Cave
Tocilizumab ist kontraindiziert nach Divertikulitis.
Da CRP und BSG unter Therapie mit Tocilizumab durchgehend niedrig normal sind, gibt es keine Laborwerte, die Rezidive anzeigen. Rezidive können ausschließlich über die Anamnese vermutet werden. Somit sollte die Tocilizumab-Therapie nur bei Patienten durchgeführt werden, die klare Angaben zu ihren Symptomen machen können. Der behandelnde Arzt sollte sowohl in der Behandlung der RZA als auch in der Therapie mit Tocilizumab Erfahrungen haben. Weiterführende praktische Empfehlungen bieten die Therapieüberwachungsbögen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, die sowohl als Patienteninformation als auch Information für Ärzte vorliegen: https://dgrh.de/Start/Versorgung/Therapieinformationen/Therapieinformationsb%C3%B6gen.html.

Methotrexat

Kleine Studien lassen die Wirksamkeit vermuten. Die Datenlage ist allerdings deutlich schlechter als bei Tocilizumab (Monti et al. 2019). Methotrexat ist wesentlich preiswerter als Tocilizumab, aber offiziell nicht für die Therapie der RZA zugelassen. Es kann eingesetzt werden, wenn Tocilizumab nicht angewendet werden kann. Die Dosis beträgt 10–25 mg pro Woche per os oder subkutan in Kombination mit 5 mg Folsäure pro Woche. Wie bei Tocilizumab müssen regelmäßig Transaminasen, Blutbild und Kreatinin kontrolliert werden.

Andere Glukokortikoid-einsparende Medikamente

Bisher gibt es keine seriösen Daten für andere Medikamente mit Glukokortikoid-einsparender Wirkung. Verschiedene Substanzen wie JAK-Inhibitoren und Interleukin-17-Inhibitoren werden derzeit in Studien geprüft. Tumornekrosefaktor-Alpha-Inhibitoren sind nachgewiesenermaßen unwirksam (Monti et al. 2019).

Andere Medikamente

Acetylsalicylsäure sollte bei RZA nicht routinemäßig gegeben werden (Hellmich et al. 2020; Schirmer et al. 2020). Acetylsalicylsäure wurde früher zur Vorbeugung von Erblindungen empfohlen. Erblindungen sind unter Therapie im Verlauf sehr selten. Es gibt keinen Nachweis für ein positives Nutzen-Risiko Verhältnis. Eine Therapie mit Acetylsalicylsäure soll weitergeführt werden, falls eine anderweitige Indikation dafür vorliegt. Bei der Kombination von Acetylsalicylsäure mit Glukokortikoiden sollten Protonenpumpeninhibitoren gegeben werden. Bei einer alleinigen Glukokortikoidtherapie ist dies nicht nötig. Andere Thrombozytenaggregationshemmer, Antikoagulanzien oder Statine werden ebenfalls nicht routinemäßig bei der RZA empfohlen, solange keine primäre Indikation für diese Substanzen vorliegt (Schirmer et al. 2020).

Verlauf und Prognose

Das Ansprechen auf die initiale Glukokortikoidtherapie ist in der Regel exzellent. Die Patienten sind rasch beschwerdefrei. Die Glukokortikoiddosis soll im Verlauf so niedrig wie möglich gehalten werden, um Nebenwirkungen aber auch Rezidive zu verhindern. Eine „Prednisolonerhaltungsdosis“ soll nicht verordnet werden. Bei 30–50 % der Patienten können die Glukokortikoide innerhalb von 12 Monaten abgesetzt werden (Stone et al. 2017). Bei den anderen Patienten sollte die Dosis nach einem Jahr maximal 5 mg/d betragen (Schirmer et al. 2020). Viele dieser Patienten können dann die Therapie in den weiteren 1–2 Jahren absetzen.
Tocilizumab wird in der Regel zunächst nur für ein Jahr verordnet. Danach können im Falle einer Remission die Intervalle auf 2 Wochen gestreckt oder das Präparat abgesetzt werden. Rezidive treten dann bei etwa der Hälfte der Patienten auf, oft erst nach einigen Monaten (Adler et al. 2019).
Stenosen oder Verschlüsse der proximalen Armarterien bedürfen in der Regel keiner interventioneller Maßnahmen, da die Perfusion über Kollateralen gewährleistet wird. Bei aktiver Vaskulitis sollten Eingriffe an den betroffenen Gefäßen nur durchgeführt werden, wenn Organverlust oder Lebensgefahr drohen. Bei Erblindungen kann eine Glukokortikoidpulstherapie innerhalb von 24 h Erfolg haben. Später ist die Prognose für die Wiedererlangung des Sehvermögens schlecht. Nach Jahren kann es zu Aneurysmen kommen. Die thorakale Aorta ist häufiger als die abdominelle Aorta betroffen (Koster et al. 2020). Echokardiografisch können viele Aneurysmen der Aorta ascendens entdeckt werden. Der Aortenbogen ist bei den meisten Patienten ebenfalls sonografisch darstellbar. Gegebenenfalls muss eine MRT oder CT durchgeführt werden, um operationspflichtige Aortenaneurysmen zu diagnostizieren (Kap. „Entzündliche Erkrankungen der großen Gefäße“).
Literatur
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